liebevolle Grenzen

Von der Arbeit und von den privaten Beobachtungen habe ich zwei favorisierte Irrtümer von liebenden Eltern mitgenommen.

  1. Wenn ich meinem Kind etwas verbiete, hat mein Kind mich nicht mehr lieb!
  2. Er/Sie ist doch noch so klein und niedlich! (mit den Regeln fang ich dann später an, wenn es sie verstehen kann...)

Einer Mutter von Zwillingen habe ich bei mehreren Elterngesprächen nahe gelegt, dass es wichtig ist, dass sie ihren Jungs Grenzen setzt. Als sie damit anfing, erzählte sie ganz verwirrt, dass der Distanziertere von den Beiden angefangen hätte, ihr zu sagen, wie lieb er sie hat!!!

Grenzen geben uns Stabilität und ein wohltuendes Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit. Im Straßenverkehr ist genau festgelegt, wie man sich zu verhalten hat und wenn man dagegen verstößt (und erwischt wird) gibt es klare Konsequenzen. Aus diesem Grund können wir uns überwiegend sicher auf unseren Straßen fühlen und auch bei hohem Verkehrsaufkommen läuft es geregelt ab.

Bei meiner Chefin in der Praxis habe ich einen guten Vergleich gelernt:

Das Kind befindet sich auf einer Straßenkreuzung. Die heranfahrenden Autos aus allen Richtungen, sind die Reize, die über Auge, Ohr, Nase und den gesamten Körper stetig auf das Kind einwirken. Als Erwachsene haben wir ein Ampelsystem entwickelt und darüber steuern wir, welcher der anrasenden Reize gerade wichtig ist. Bei den Kindern ist das Ampelsystem noch nicht so abgestimmt aufeinander oder gar komplett ausgefallen und somit gibt es regelmäßige Crashs in der Mitte der Kreuzung.

Wir als Erwachsene haben die Aufgabe, die noch nicht funktionierenden Ampeln zu übernehmen und unseren Kindern zu helfen ein eigenes funktionierendes Ampelsystem zu  entwickeln. Wir sind die Verkehrspolizisten!

Am Schwersten daran ist, sich selbst im Klaren darüber zu sein, was ICH möchte, das mein Kind tun und nicht tun darf. Denn nichts verunsichert Kinder mehr, wenn Eltern erstmal ein "Nein!" oder ein Verbot aussprechen und es dann wieder zurücknehmen. Ein "Nein" muss ein "Nein" bleiben und deshalb sollte man sich vorher gut überlegen, ob man es durchsetzen kann.

Ein "Nein" oder auch ein Verbot muss nicht immer etwas Böses sein.

"Nein, ich möchte nicht, dass Du da hochkletterst. Das ist mir zu gefährlich!" sollte bestimmt, aber nicht aggressiv klingen.

Kinder brauchen einen Rahmen und das ist unsere Aufgabe, diesen Rahmen festzulegen. Wenn das Kind darüber erfährt, mein(e) Mama/Papa/Oma/Erzieher/In passen auf mich auf, lernen sie Vertrauen haben zu dürfen und sie müssen sich nicht stets so anstrengen, diesen Rahmen einzufordern. Ein Kind, welches immer wieder bei einem "Nein" einen Ausraster bekommt, hat mehrfach erfahren, dass das "Nein" nicht das "Nein" geblieben ist und probiert nun immer wieder aus, ob der Rahmen dieses Mal tatsächlich so stabil bleibt.

Somit entkräftet sich auch die zweite Annahme dass das Kind noch zu klein ist, um Regeln zu verstehen.

Wenn das Kind von den ersten eigenständigen Handlungen an erfährt, dass es sich auf seine(n) Mama/Papa/Oma/Opa verlassen kann, dass diese sich im Optimalfall auch untereinander einig sind, was das Kind darf und nicht darf, dann entwickelt es ein ganz großes Vertrauen und wird die Rahmengrenzen nicht immer wieder neu einfordern müssen. Das bedeutet weniger Auseinandersetzungen und mehr Harmonie in der Familie.

Die Regeln sollten dem Alter angepasst vermittelt werden, weil Sie sonst Ihr Kind überfordern und Sie nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Dabei dürfen Sie sich ausprobieren, denn keiner trifft immer gleich den richtigen Ton mit den richtigen Worten.

 

Viel Spaß beim Ausprobieren!